Hafenlohr

Unterfranken

Schwindbräu - 1846 bis 1972

97840 Hafenlohr

Im Jahr 814, auf dem kleinen Konzil zu Aachen, legte Ludwig der Fromme für das Kloster Neustadt am Main, das sein Vater Karl der Große gegründet hatte, eine Trinkordnung fest, in der – in Pfund berechnet – die täglichen Rationen für Getränke festgehalten wurden. Der Abt wurde in dieser Verordnung nicht erwähnt. Er war wohl nicht daran gebunden. Bei guten Jahren im Weinanbau erhielten die Chorherren zwei „Pfund“ Wein und drei „Pfund“ Bier. Die Laienbrüder erhielten die Hälfte. Im Neustädter Klosterbereich muss es also damals schon eine Bierbrauerei gegeben haben. Diese Brauerei, so ist zu vermuten, befand sich im Bereich des klösterlichen Domänenhofs in Hafenlohr.

Erst nach dem Bauernkrieg 1525 hören wir Genaueres. Der damalige Abt Melchior ordnete an, dass das klösterliche „Prew-Haus” aus dem hochwassergefährdeten Hof an einem sicheren Platz, an das “Obere Bidum“ zu verlegen und neu einzurichten sei. Demnach wurde im Bauernkrieg nicht nur der Klosterhof, sondern auch die Brauerei demoliert. Das neue Brauhaus stand nun genau auf der gleichen Stelle, an der die heutigen Brauereigebäude stehen. Abt Melchior verfügte auch, dass in den Berg am „Oberen Bidum” Keller für die Bierlagerung in den Rotsandsteinfelsen getrieben werden müssen.

1735 errichtete der baufreudige Abt Martin Krieg den Klosterhof neu und verpachtete den Brauhof mit 99 Morgen und 7 Feldern Landwirtschaft an den Ankerwirt, Schiffer und Holzhändler Andres Mehling. Die Familie Mehling war überdurchschnittlich begabt. Sie waren nicht nur tüchtige Brauer und Wirte, sondern auch Schiffer und sehr erfolgreiche Holzhändler. Sie kamen mit ihren begehrten Spessarteichen nach Amsterdam und Rotterdam und sogar bis nach London. Alle Mehlings sprachen fließend holländisch, französisch und englisch. Der nächste Mehling hieß Johann Andreas Anton. Er pachtete um 1798 vom Kloster Neustadt den gesamten Brauhof für die Dauer von 50 Jahren. Kurz danach verunglückte er bei Hochwasser auf der eigenen Fähre. An den Folgen dieses Unfalls starb er bald darauf.

Sein Sohn Andreas Mehling rettete 1796 dem incognito reisenden Consul von Frankreich, den späteren Kaiser Napoleon, mit seiner Fähre das Leben. Das sollte sich auszahlen. Nach der Säkularisation konnte Andreas Mehling mit höchster Unterstützung endlich den Hafenlohrer Brauhof kaufen. Er kostete ganze 6000 Gulden. Angesichts der recht umfangreichen Liegenschaften ein sehr günstiger Kauf.

Sein Sohn Franz, 1798 geboren, war wohl der Bedeutendste der Brauerdynastie Mehling. Mit 24 Jahren übernahm er von seinem Vater den Betrieb. Er hat das Brauerhandwerk zwar nicht erlernt, aber er holte sich Braumeister und Bierbrauer von den vielen stillgelegten Klosterbrauereien, und wie berichtet wird fuhr er dabei nicht schlecht. 1844 riss ein verheerendes Hochwasser die vor dem Brauereihof gelegenen Häuser weg. Er kaufte die Grundstücke auf und hatte jetzt endlich Platz, um einen Biergarten mit überdachter Kegelbahn zu errichten sowie eine Bedürfnisanstalt für Männer und Frauen mit Wasserspülung erstaunlich für die damalige Zeit. 1845 baute er zwischen dem neuen Biergarten und dem Brauhof eine weitere Wirtschaft, die sogenannte Bierhalle.

Sein Monogramm FM und die Jahreszahl 1845 sowie das Hauswappen, der stehende Anker, sind noch heute an der Freitreppe zu sehen. 1846 errichtete er ein neues Brauereigebäude nach modernsten Gesichtspunkten: hohe gewölbte Malzkeller, darauf das Sudhaus, daneben das ebenerdig gelegene Kühlschiff, sowie einen Göpelantrieb für die Transmission und eine Malzdarre. Die Sandsteine für den Neubau holte er aus dem Berg und schuf somit den Platz für drei parallele Felsenkeller. Auf diese setzte er noch ein Gerüst zur Eisgewinnung.
Franz Mehling heiratete eine Flößerstochter aus Wallenfels, Maria Baunach. Aus dieser Ehe gingen drei tüchtige Söhne hervor. Maria verstarb auf einer Schifffahrt nach Holland. Eigentlich wollte Franz nicht mehr heiraten, obwohl er noch relativ jung war. Der Marktheidenfelder Schifferkollege Adam Hörnig konnte ihn aber umstimmen und er heiratete kurzentschlossen dessen einziges Kind Anna Maria. Der einzigen Tochter aus dieser Verbindung, Anastasia, überschrieb er die Brauerei. Diese heiratete 1849 den sehr bekannten Braumeister Stephan Zirk aus Stockheim vor der Rhön. Zirk hatte sich sehr schnell Anerkennung erworben, nicht zuletzt auch wegen seines hervorragenden Bieres. Er war längere Zeit Bierbrauer in den Klosterbrauereien Münnerstadt und auf dem Kreuzberg. Schon sein Vater Karl Josef Zirk war ein tüchtiger Fachmann, der bereits 1839 erstaunliche Kenntinisse z. B. über die Wasserenthärtung, über Hefezucht, über Temperaturführung im Gärkeller und in der Mälzerei in einem Buch festhielt, das heute noch existiert.

Leider starb er schon 1859. Die Witwe Anastasia heiratete 1860 den „Gräflich von Schönbornschen Kanzleidirektor“ Vincenz Englert. Er war diplomierter Landwirt und hat in und für Hafenlohr viel geleistet. Für die Brauerei holte er von der Bürgerbräu Würzburg den besten Brauer. Der 1861 geborene Vincenz Englert kam bei einem Hochwasser ums Leben. Sein Sohn Franz Vincenz übernahm 1888 den Betrieb. Er belieferte 40 Wirte. Er hatte auch einen Bierbrauer, Andreas Bayer aus Bamberg, eingestellt, dem er 1896 zum Kauf der „Schlossbrauerei Keller Zur Rose” in Rothenfels Geld vorstreckte. Auf einer Brauereiausstellung kaufte er 1896 die erste Dampfmaschine. Kurz vor dem geplanten Bau eines neuen Sudhauses ist er, erst 42-jährig, gestorben. Er hinterließ einen hervorragend geführten Betrieb, der sich auf dem neuesten technischen Stand befand, einen guten Kundenstamm und ein anerkannt gutes Bier.
Der älteste Sohn Franz Joseph (1889-1974) war sein Nachfolger. Er hatte es wirklich nicht leicht. Bis 1928 musste er warten, um von seinem Stiefvater Heimbach die ihm testamentarisch eigentlich zustehende Brauerei übernehmen zu können. Dafür musste er ihm noch 100.000 Mark bezahlen. Zwischenzeitlich pachtete er 1918 die Bürgerbräu Gemünden. Dieses Engagement war aber nur von kurzer Dauer, denn er erhielt nicht die benötigten Rohstoffe, die damals streng kontingentiert waren. Im Laufe der Jahre wurde in Hafenlohr immer wieder investiert, so 1910 ein neues Kühlschiff, 1911 ein neues Sudhaus, 1912 eine Zweihorden-Darre und eine Gerstenweiche. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde eine Kellerkühlung installiert.
Johann Wilhelm Schwind aus Aschaffenburg-Schweinheim heiratete 1942 die Tochter Hedy von Franz Joseph Englert und übernahm nach Rückkehr aus langer russischer Kriegsgefangenschaft 1951 die Brauerei. Er investierte ebenfalls sehr viel: Lagerkellererweiterung, Gärbottiche , Flaschenfüllerei und ein Kieselgurfilter. Die Mälzerei wurde von Grund auf modernisiert. Für die Erweiterungsinvestitionen musste das alte Brauereigebäude von 1846 weichen.

Mit einem brauereieigenen Zelt belieferte man viele Feste in der Umgebung. In der Folgezeit entwickelte sich der Betrieb sehr gut. Umso überraschender kam 1972 die Schließung. Die Nürnberger Tucherbräu pachtete die Schwind-Bräu und stellte ein Jahr später den Sudbetrieb ein. Gemälzt wurde noch bis 1974.

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